Schon seit es digitales Asset-Management (DAM) gibt, ist die Kontrolle über Rich-Content-Assets einer der Vorteile, den Anbieter entsprechender Systeme besonders stark bewerben.

Es ist an der Zeit, dass wir diesem Irrglauben ein Ende bereiten.

Ist Kontrolle denn nicht wichtig?

Nein, natürlich ist sie das - schließlich möchten Sie auf Ihrer Webseite oder in Fernsehwerbung nicht einfach irgendwelche willkürlichen Inhalte wiederfinden. Es war schon immer wichtig, das Markenimage und die Compliance hiermit durch Benutzerrechte zu schützen… auf den modernen, aufmerksamkeitsgesteuerten und prozessfreudigen Märkten ist dieser Umstand heute wichtiger denn je. Gleichzeitig wird dieser Schutz beim Management globaler, kanalübergreifender Kampagnen jedoch immer schwieriger.

Kontrolle als Wertversprechen war jedoch schon immer eine Medaille mit zwei Seiten: Auf der einen glänzt das Versprechen des umfassend kontrollierten und gesteuerten Inhalts. Auf der (in Kampagnen verschwiegenen und unbekannten) Kehrseite allerdings findet sich der Grund für die Betonung dieser Eigenschaft: Damit wahre Kontrolle wirklich möglich ist, muss Ihre Organisation mit dem DAM-System arbeiten und einen einheitlichen Ansatz für Beschaffung, Bearbeitung, Genehmigung und Verteilung von Inhalten verfolgen. Ein Nebeneffekt dieses Ansatzes ist zudem, dass Sie als Kunde an einen bestimmten Anbieter gebunden werden. Da ist es kaum verwunderlich, dass diese Anbieter den Punkt Kontrolle seit so langer Zeit intensiv bewerben.

Neben der Anbieterbindung gibt es zwei weitere Hauptgründe, die dazu führen, dass das Versprechen wahrer Kontrolle kaum eingehalten werden kann:

  1. Die von Marketingexperten geschätzte Kontrolle bedeutet für die übrige Organisation starke Einschränkung - insbesondere dann, wenn das DAM-System nicht sehr benutzerfreundlich ist, Schwierigkeiten beim Umgang mit Ausnahmen hat oder nicht über ordentlich zugewiesene und verwaltete Berechtigungen verfügt. Wenn jeder auf eine bestimmte Art und Weise handeln muss (einmal davon ausgehend, dass Sie alle Mitarbeiter erfolgreich von einer einheitlichen Vorgehensweise überzeugen können!), zahlen Sie hierfür einen hohen Preis in Form von verlorener Flexibilität, Geschwindigkeit und Reaktionsfähigkeit auf Unternehmensbedürfnisse.
  2. Marketingexperten und andere Benutzer aus Unternehmen sind wie Houdini - wenn ihnen auferlegte Systeme sie an der Durchführung ihrer täglichen Aufgaben und Erfüllung der individuellen, Team- oder Geschäftszweigsziele hindern, werden sie früher oder später einen Weg finden, diese Systeme zu umgehen.

Die Befreiung der Inhalte

Genau wie Houdini einst mit seinen Befreiungskünsten scheinbar die Gesetze der Physik außer Kraft setzte, werden auch Inhalte einen Weg finden, sich aus eng gestrickten Kontrollsystemen zu winden.

Inhalte könnten auf jedem Schritt ihres Wegs heruntergeladen, per Screenshot festgehalten, auf einen Laptop oder auf einem Netzwerkspeicher, in Dropbox oder Google Drive abgelegt werden. Feedback oder Genehmigungen könnten per E-Mail, SMS, telefonisch oder bei einem kurzen Gespräch auf dem Gang erteilt werden.

Allgemein könnte man also sagen, dass Inhalte auf jedem Schritt ihres Lebenszyklus dem Weg des geringsten Widerstands folgen: Jedes Mal stellt sich jemand die Frage, ob es einfacher wäre, den nächsten Schritt im vorgegebenen System und mit dessen Prozessen durchzuführen, oder ob andere Alternativen einfacher wären.

Je strenger ein Softwaresystem jedoch ist, je weniger benutzerfreundlich und je mehr Kontrolle und einzelne Schritte vorgeschrieben sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich Ihre Mitarbeiter für eine Alternative entscheiden werden.

In vielen größeren Organisationen spielen allerdings auch politische Faktoren eine Rolle. Je höher ein Manager aufsteigt, desto unwahrscheinlicher ist es, dass er oder sie offizielle Tools verwendet. Diese Mitarbeiter haben keine Zeit, sich in die Hilfsmittel einzuarbeiten - sie sind häufig unterwegs und arbeiten meist von Mobilgeräten aus oder verweigern eine Einarbeitung und befinden sich in einer Stellung, in der sie ihnen niemand befehlen kann. Wenn also eine Benachrichtigung über eine Genehmigungsanfrage im Projektmanagementsystem bei ihnen eingeht, ignorieren sie sie, bis sie in einer persönlichen E-Mail erneut um die gleiche Genehmigung gebeten werden.

Leider ist es kaum mehr möglich, sich auf Abwegen befindliche Inhalte wieder in das System zurückzuführen und den formellen Arbeitsschritten zu folgen. Meist werden sie erst als fertige Assets wieder eingeschleust (wie häufig haben Sie schon den Satz: “Wir verwenden DAM nur für fertige Assets” gehört?), sodass der Mehrwert eines kontrollierten, messbaren und überwachten Prozesses verloren geht.

Ausweg aus dem Inhaltsproblem

Gibt es denn überhaupt eine Möglichkeit, eine Ausflucht aus den sich ständig widersprechenden Faktoren der Kontrolle und der Natur des Menschen zu finden?

Achtung, hier ist die Lösung

Eine Option wäre es, das Problem aus der Perspektive eines Nullsummenspiels zu betrachten: Wir müssten einfach nur mehr Druck ausüben, um zu gewinnen. Wir benötigen mehr Kontrolle. Also müssen wir Alternativen zur offiziellen Option unterbinden. Dropbox wird verboten! Nichts ist genehmigt, bis es so auch im System steht! Wir bezahlen die Agentur erst, wenn sich die Inhalte im System befinden und entsprechend gekennzeichnet sind.

Vergangenes Jahr habe ich mich mit einer DAM-Beraterin über die Verknüpfung von DAM-Systemen mit Dropbox-Freigabeordnern unterhalten. Sie legte die Stirn in Falten und sagte: “Die DAM-Branche versucht seit Jahren, Dropbox loszuwerden.” Natürlich verfolgt auch sie diesen Ansatz.

Wenn Sie das auch versuchen, wünsche ich Ihnen viel Glück dabei. Sie werden es brauchen. Es ist ein Kampf auf Leben und Tod, und ich wette, dass die menschliche Natur ihn gewinnen wird.

Der bessere Ansatz: willkommen heißen, Zugriff ermöglichen, interagieren

Ein besserer Ansatz wäre es, die Natur des Menschen als Fixpunkt zu betrachten und Technologie daran anzupassen, anstatt zu versuchen, dieser Natur entgegenzuwirken. Menschliche Kreativität spielt sich auf vielen Ebenen ab - sie variiert von Person zu Person und manchmal sogar bei einer einzigen Person abhängig von Tag, Ort und Kontext. Wir sollten nicht versuchen, das zu unterbinden, sondern es vielmehr willkommen heißen.

Das bedeutet, dass Sie es Ihrer Technologie und Ihren Teams ermöglichen müssen so zu arbeiten, wie sie gerne möchten. Sie müssen die im Laufe der Zeit ausgereiften Prozesse weiterhin anwenden können, wenn diese gut funktionieren. Sie müssen Tools nutzen können, die im Zusammenhang mit der Aufgabe eines Teams (oder einer Person) sinnvoll sind - von Slack über mobile Apps bis hin zu E-Mail. Sie müssen Dateien mit der bevorzugten Anwendung direkt auf dem eigenen Desktop öffnen können. Schaffen Sie Umgebungen mit geringerem Widerstand.

Und schließlich müssen Sie mit den neuen Systemen auch interagieren. Das bedeutet, dass Sie Wege schaffen, auf denen Inhalte und Informationen problemlos zurück in Ihr System überführt werden können. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass es einige Systembenachrichtigungen ermöglichen, eine direkte E-Mail-Antwort zu formulieren, anstatt auf die Benachrichtigung klicken und sich dann erst im System anmelden zu müssen? Das ist ein gutes Beispiel. Ein System, das tatsächlich mit seinen Benutzern interagiert, motiviert sie und regt zu seiner umfassenden Nutzung an. Und wenn Ihre Mitarbeiter ihre Aufgaben tatsächlich in Ihrem System erledigen, anstatt sich davor zu drücken, sind die somit gewonnenen Analysen und Einsichten echte Ergebnisse für Ihr Unternehmen, sondern eine Reflektion Ihres Unternehmens, die wahre Gelegenheiten und Erfolge hervorhebt.

Entwirren der Situation

Wenn Sie auf der Suche nach einem neuen System für die Verwaltung und Kontrolle kreativer Inhalte in Ihrer Organisation sind, sollten Sie sich folgende Fragen stellen:

Bin ich es, der Kontrolle möchte, oder ist Kontrolle einfach ein nützliches Nebenprodukt der Nutzung durch meine Mitarbeiter?
Ist es mit dem von mir in Betracht gezogenen System einfach, es als Benutzer zu akzeptieren, Zugriff auf alles Notwendige zu geben und mit den Mitarbeitern so zu interagieren, wie sie arbeiten möchten (und werden)?

Wenn die Benutzer bei Ihren Antworten nicht im Mittelpunkt stehen, sollten Sie Ihren Ansatz noch einmal überdenken - es könnte Ihre letzte Gelegenheit sein.