In meinem ersten Blog-Beitrag zur langjährigen Geschichte der Herausforderungen der Inhaltsverwaltung habe ich gezeigt, dass ECM ein Problem ist, das so alt ist wie unsere Geschichte selbst - die Aufzeichnung historischer Ereignisse ist tatsächlich sogar die erste Lösung für die Herausforderungen des Inhaltsmanagements, mit denen sich die ersten Menschen konfrontiert sahen, als sie von kleinen Stämmen zu einer Zivilisation heranwuchsen und mehr Informationen aufzeichnen mussten, als sie sich mit ihren Gehirnen merken konnten. Mein heutiger Beitrag dreht sich darum, was unsere Geschichte uns über die Gegenwart lehrt.
Konnten traditionelle ECM-Lösungen dieses Problem wirklich beheben?
Natürlich ist das Problem, Informationen organisiert abzulegen und später wieder abrufen zu können eines, das Organisationen auch heute noch beschäftigt. Digital ausgerichtete Organisationen, denen mehr Daten für die Entscheidungsfindung zur Verfügung steht, ziehen der Konkurrenz davon und können auf einer globalen Skala Dinge leisten, die vor dem Informationszeitalter absolut undenkbar waren.
Dabei geht es allerdings nicht einfach darum, Daten und Informationen in mehr unterschiedlichen Schubladen ablegen zu können, sondern vielmehr darum, wie die Informationen organisiert werden und wie einfach sich der Zugriff auf sie gestaltet. Harari gibt ein passendes Beispiel:
Wenn ich mit meiner Partnerin einen Darlehensvertrag für unser neues Haus unterzeichne, erinnert mich das an unsere erste gemeinsame Wohnung. Das wiederum erinnert mich an unsere Hochzeitsreise nach New Orleans und das wiederum an Alligatoren. Diese erinnern mich an Drachen, bei denen ich an den Ring der Nibelungen denken muss - und plötzlich, noch bevor ich es merke, summe ich dem verwirrten Bankmitarbeiter das Siegfried-Leitmotiv vor.
In einer Bürokratie müssen Dinge säuberlich getrennt werden. Es gibt eine Schublade für Darlehen für Häuser, eine weitere für Heiratsurkunden, eine dritte für Steuerregister und eine vierte für Klagen. Wie könnte man sonst überhaupt irgendwas auffinden? Dinge, die in mehr als eine Schublade passen (zum Beispiel Wagners Musikdramen, die für mich sowohl zur Kategorie “Musik” als auch zu “Theater” passen - hier könnte man sogar eine neue Kategorie erfinden!), sind also ein echtes Ärgernis. Man ist ständig damit beschäftigt, Schubladen hinzuzufügen, zu löschen, neu zu organisieren.
Und genau mit dieser Herausforderung werden die ECM- und DAM-Bereitstellungen großer Firmen konfrontiert. Wie lassen sich Informationen am besten organisieren? Und welche Abteilung darf darüber entscheiden? Und sollten Systeme auf Grundlage der Kategorie Musik, der Kategorie Theater oder auf einer ganz anderen Grundlage miteinander verknüpft werden?
Bis vor Kurzem war die Antwort auf all diese Fragen, die Menschen zu bürokratischem Denken zu zwingen. Oder wie Harari es sardonisch ausdrückt:
Wie jeder seit der Antike und auch heute noch weiß, denken Beamte und Buchhalter anders als alle anderen Menschen. Sie denken wie Aktenschränke. Das ist nicht ihre Schuld. Wenn sie nicht so denken würden, gerieten ihre Schubladen ganz durcheinander und sie wären nicht in der Lage, die Leistungen bereitzustellen, die ihre Regierung, Organisation oder Firma benötigt.
Somit folgt bürokratisches Wachstum in Tausenden großen Organisationen, von Fortune-500-Unternehmen bis hin zu Regierungen, dem Wachstum der Organisation, so sicher wie auf den Tag die Nacht folgt. Denn man braucht nicht nur mehr Aktenschränke, sondern auch mehr Beamte und Buchhalter, die genau wissen, wie die jeweiligen Akten darin sortiert sind.
So schien es zumindest seit Geburt der modernen Unternehmen und auch während des Wachstums von ECM- und DAM-Technologien in den 80ern, 90ern und Anfang des 21. Jahrhunderts gewesen zu sein.
Eine intelligentere Lösung für die Informationsverwaltung
In den letzten Jahren war eine der deutlichsten Lehren aus der Geschäftspraxis, dass es einen großen Unterschied zwischen bürokratisch arbeitenden und flinken und agilen Unternehmen gibt, die diese Bürokraten überholen. Zahlreiche Branchen zeigen, dass Organisationen, die ihre Daten, Informationen und ihr Wissen dynamisch und flexibel bereitstellen können, Marktanteile gewinnen, höhere Umsätze erwirtschaften und die Marktführung übernehmen. Das Beratungsunternehmen Bain & Company stellte fest, dass 80 % des Marktkapitalwachstums der führenden Unternehmen aus nativ digital arbeitenden Unternehmen stammen.[1]
Diejenigen, die versuchen, traditionelle Unternehmensgrenzen einzureißen, stellten meist fest, dass ihre veralteten Systeme auf Annahmen basierten, die sich nicht umgehen ließen - darunter feste Hierarchien (Wagner kann nicht sowohl in Musik als auch Drama abgelegt werden), unflexible und beschränkte Datenmodelle (jedes Drama hat ein Skript, aber niemals Musik) und vieles mehr.
Was tun agile Unternehmen, das bürokratisch arbeitende nicht tun? Kulturelle Normen spielen natürlich eine wesentliche Rolle, aber auch Technologie ist ein wichtiger Erfolgsfaktor.
Die aktuell erfolgreichsten Unternehmen pochen nicht auf eine hierarchische Denkweise. Stattdessen ermöglichen ihre Systeme es einem Zwei-Pizza-Team[2], Daten aus der ganzen Organisation auf neuartige Weise abzurufen und zu nutzen. Und was passiert, wenn Ihre Teams klein genug sind, dass sie im gleichen Raum sitzen können?
Das wäre so, als würde man zu den Stämmen in der Zeit vor den Sumerern zurückkehren. Bürokratie ist nicht für eine Koordination notwendig und das Team kann freier, assoziativer, schöpferischer, innovativer und - genau! - menschlicher denken. Sobald sich neue Gelegenheiten ergeben oder Hindernisse auftun (und das geschieht beinahe täglich), können Teams sich flexibel verbinden, Verbindungen trennen, sich austauschen und Daten und Inhalte schnell neu kombinieren, um einen Zusammenhang zwischen Kundenbedürfnissen, Märkten und Fähigkeiten herzustellen, anstatt durch die bürokratischen Grundlagen der veralteten ECM- und DAM-Systeme eingeschränkt zu werden. Somit sind sie in der Lage, schneller Rückschlüsse zu ziehen, als es ein streng bürokratisches System je ermöglichen würde. So können beispielsweise die gleichen Bilder und Videos in der Ansicht des Marketingteams nach Kampagnen sortiert werden, für das E-Commerce-Team nach Produkten, für das Fotostudio nach Aufnahmetag und für das Vertriebsteam nach Region. Die gleichen Assets werden also in unterschiedlichen Kontexten dargestellt, die für die jeweilige Person relevant sind. Das ist eine der zentralen Funktionen der Content-Services-Plattform von Nuxeo: Informationen werden aus den Gefängnissen von Anwendungen und anderen Informationssilos befreit. Inhalte und digitale Assets sind nicht an einen bestimmten Ort gebunden - die Mauern zwischen Wissensarbeitern und den für sie wichtigen Informationen werden eingerissen.
Zivilisationen, die lernten, wie sie Informationen ablegen und dazu nutzen konnten, um ihre soziale Organisation zu skalieren, sicherten sich ihren Platz in der Geschichtsschreibung und erschufen Monumente, die seit Tausenden Jahren existieren. Nun ist es Zeit, dass die Unternehmen von heute ihren Platz in der Geschichte einnehmen: Indem sie Informationsherausforderungen so lösen, dass Kulturen und Systeme entstehen, die auf bisher ungeahnte Wege wachsen können.
Fußnoten
[1]: Aus der Quelle
[2]: Jeff Bezos - “We try to create teams that are no larger than can be fed by two pizzas.” (“Wir versuchen Teams zu erstellen, die nicht größer als eine Gruppe sind, die sich mit zwei Pizzen versorgen lässt.”)